Wacken Open air 2023: eine Wacken-Light Experience
Wacken 2023: „Alexa, wo ist Wacken“? Ohne das berühmte Musikfestival der härteren Gangart hätte sicher auch die kluge Alexa ihre Schwierigkeiten mit der Örtlichkeit gehabt. Für den Liebhaber von Heavy Metal & Co hingegen ist das W:O:A (Wacken Open Air) eine absolute Instanz.
32. Wacken W:O:A – zur Geschichte des Heavy Metal Festivals
Angefangen hat der Kult schon 1990, als sich die Musikfreunde Thomas Jensen und Holger Hübner, beide ansässig in Wacken, einem schleswig-holsteinischen Dorf zwischen Itzehoe und Büsum, entschlossen ein kleines Festival im dortigen Kiesgrubengelände auszurichten.
Immerhin kamen rund 800 Besucher und waren wohl zufrieden, so dass nun regelmäßig an einem Augustwochenende der Vorläufer des größten Heavy Metal Festivals der Welt stattfinden sollte. Private Initiative und fleißiger Einsatz waren die Sprungfedern zum Erfolg. So liest man, dass fast alles, vom Bühnenbau über Security bis zum Kartenverkauf, etc. durch ansässige Sympathisanten und deren Familienmitglieder organisiert wurde.
Das Provinzielle haftet dieser Veranstaltung in erfreulicher Weise noch immer an: es eröffnet die Blaskapelle der Feuerwehr und regionale Produkte werden angeboten. Das ganze Dorf scheint in das Geschehen involviert zu sein, was für einen erheblichen Wohlfühlfaktor sorgt.
Das inzwischen auf über 85,000 Teilnehmer angewachsene Heavy Metal Festival wird nun selbstverständlich hochprofessionell organisiert und vermarktet.
Wacken Tickets 2023 – The early bird catches the ticket
Um ein Wacken Ticket zu ergattern empfiehlt es sich, sofort am Ende des vorangegangenen Festivals (also ein Jahr früher) am Bildschirm zu sitzen, viel Geduld für Warteschleifen und zusammenbrechende Server aufzubringen um dann e n d l i c h die Bestätigung zu erhalten, dass es für das nächste Jahr geklappt hat. Das ist das erste Glücksgefühl auf dem Weg nach Wacken, hell yeah!
Die nächste Herausforderung, und die empfand ich als noch viel schwieriger, ist die Suche nach einem Quartier, sofern man nicht auf Camping auf einer feuchten Viehkoppel mit tausenden feierwütigen Metalheads steht. Ich konnte schon in meiner Jugend zelten nicht ausstehen, geschweige denn, unter diesen erschwerten Bedingungen. Für die echten Wacken Fans, die sich für die Tage auf dem „Holy Ground“ einrichten, bin ich sicher eine zu belächelnde Prinzessin.
Sei es drum, für mich kam nur diese Light Experience in Betracht und so verbrachte ich Tage und Nächte damit, für mich und die Meinen eine geeignete Unterkunft im Umkreis zu finden. Man muss wissen, dass in Wacken Hotels und Privatunterkünfte schon ewig von Leuten, die dort regelmäßig teilnehmen, Jahre voraus reserviert werden.
Irgendwie gelang es mir nach ein paar Tagen, und das war das nächste Glücksgefühl, gepaart mit Stolz. So, von nun an,wenn Tickets und Schlafplatz sicher sind, kann man sich in Ruhe dem Kauf von Merchartikeln widmen. Es gibt alles – vom Schlüsselband zur Spirituose, alles wird über die Firma Metaltix vermarktet. Kann man machen, muss man aber nicht. Was aber unabdinglich ist, ist regenfeste Kleidung. Die sollte man sich im Vorfeld unbedingt zulegen. Vor Ort waren Gummistiefel nämlich ausverkauft. Aus Gründen!
Wacken Line up 2023
Worüber ich noch nicht gesprochen habe, ist das Wacken 2023 Lineup, also die Bands, die zu hören sein werden.
Meistens steht schon ein Headliner fest, das war in diesem Jahr Iron Maiden. Der große Teil der Mitwirkenden wird im Laufe des Jahres hinzu gebucht und wird in mehreren Wellen verkündet, was für die nächsten Adrenalinschübe bei den Karteninhabern sorgt. Irgendwie kauft man ein bisschen die Katze im Sack. Dieses Risiko gehen erstaunlich viele Menschen ein, denn das Event ist ja meistens am Tag des Kartenverkaufs schon ausgebucht.
Warum macht man das? „Warum tust du dir das an“, wurde ich beim Anblick meiner geposteten Fotos aus dem Schlammgelände gefragt. Weil es geil ist! Kein Festival hat so eine Geschichte und so einen besonderen Geist wie das W:O:A. Man trifft hier glückliche, freundliche Leute aus aller Welt, die die Liebe zur Musik eint und die einfach eine schöne Zeit haben wollen, losgelöst von Stress und Politik.
Es ist eine ganz eigene, klassenlose und solidarische Welt, in der der Arzt neben dem Fabrikarbeiter abrockt, dabei ein bisschen Dampf rauslässt, Bier trinkt, mitsingt, Crowdsurfer weiterleitet, Leute kennen lernt und am Ende des Tages glücklich auf seinem Lager niedersinkt.
Wer mag, kann den nächsten Tag mit Metal Yoga oder einem der vielen Angebote beginnen.
Absolut empfehlenswert ist ein Gang ins Dorf Wacken, gleich neben dem Festgelände. Hier kommt man selbstverständlich ohne Festivalbändchen hinein. Erstaunlicherweise ist der komplette Ort auf das Festival eingestellt, es gibt Musik, Speis und Trank, Dies und Das, thematisch geschmückte Häuser und Vorgärten und sehr herzliche und tolerante Einwohner. Ein Partydorf vom Morgen bis in die Abendstunden also.
Ein bisschen Schlamm gehört dazu
Das Wacken-Motto „Rain or Shine“ ist wirklich Programm. Regen gibt es da oben sehr oft und in diesem Jahr davon sehr reichlich. Schon vor dem Festivalstart hatte es wochenlang heftige Niederschläge gegeben und so verwandelte sich der Geländeboden in eine wabernde weiche Masse. Für die zahlreichen Camper, die ab 1. August anrollten, wurde dies zum Problem. Teilweise mussten sie mit Traktoren auf das Gelände gezogen werden, was endlose Staus verursachte. Manche müssen Tage vor dem Gelände gewartet haben, weil nichts mehr ging. Aus diesem Grund wurden am 2. August sogenannte Anreisestopps verhängt, d. h., die mit einem Fahrzeug anreisenden Fans sollten zu Hause bleiben oder umkehren.
Wacken-Festival 2023 stoppt Einlass
Wir erfuhren von dieser Maßnahme kurz vor Schwerin. Da wir nicht mit dem Auto auf das Gelände wollten, fühlten wir uns nicht angesprochen. Wir kamen nach einigen Umwegen in unserer Unterkunft in der Gewissheit an, dass für uns am nächsten Tag das Metalvergnügen starten würde. Der Schock am Morgen in Form der Nachricht eines kompletten Einlassstops! Die Verhältnisse erlaubten keine weiteren Menschen auf dem Gelände, wurde kommunizert.
Mit dem Shuttle-Bus-Ticket aus Festivalgelände
Was war zu tun? Umzukehren war für uns keine Option und so fuhren wir nach Itzehoe, von wo aus Shuttlebusse zum W:O:A starten sollten. Von weitem war schon die lange Schlange, teils übernächtigter Metalheads am Busstand zu sehen. Die Verunsicherung stand allen ins Gesicht geschrieben. Einige waren aus fernen Ländern, z. B. aus Argentinien angereist. Es lässt sich nicht beschreiben, wie die Aussage der Shuttleguards, dass alle mit Shuttlebusticket auf das Gelände dürfen, die Stimmung hob. Ich habe es den zweifelnden Ausländern in der Warteschlange gerne erklärt. Wie glücklich sie waren, als sich die gute Nachricht verbreitete, werde ich nie vergessen.
Einmal auf dem Gelände, waren Schock und Gemütsschwankungen vergessen. Man war einfach froh, es geschafft zu haben, egal, ob man wadenhoch im Schlamm stand. Den Kilometer durch den Matsch bis zum Infield habe ich einfach als Muskeltraining verbucht. Der Anblick der Zelte im Schlamm war heftig. Ich hätte mir selbst pausenlos auf die Schulter klopfen können dafür, dass ich so nicht nächtigen muss. Vor dem Bühnenfeld warteten schon Hunderte. Mit einem Bierchen der Wackenbrauerei war die Zeit bis zum Einlass schnell überbrückt. Kurzer Sicherheitscheck und ab zu den riesigen Bühnen. Die Soundchecks liefen schon und man bekam automatisch flinke Füße.
Wacken 2023 – Meine schönsten Momente
Das Highlight am Eröffnungstag war das Gedenken an den 2015 verstorbenen Metalhero Lemmy Kilmister, der einige legendäre Gigs in Wacken hatte, und die Beisetzung seiner Asche auf dem Holy Ground.
Freitagabend war es endlich soweit, Iron Maiden, die stilprägenden britischen Metalikonen hatten ihren Auftritt und es war großartig. Zwei Stunden wurde gespielt und gepowert, die Band rund um den fabelhaften und extrem präsenten Sänger Bruce Dickenson, verzauberte das Publikum.
Welch erhebendes Gefühl, wenn 50.000 Menschen, die Songs mitsingen, die du schon in deiner Jugend geliebt hast! Es war ein Fest und jeder Aufwand, jede Widrigkeit war gerechtfertigt für diesen großartigen Moment. Es gibt meiner Meinung nach wenig Anlässe, die so intensive Glücksgefühle auslösen wie ein Musikkonzert. Ich bin süchtig danach und würde auch wieder nach Wacken fahren – wenn Metallica kommt.
Übrigens höre ich gerade, dass das Festival Wacken 2024 schon wieder ausgebucht ist. Allen, die es dieses Jahr nicht auf das W:O:A 2023 geschafft haben, wünsche ich für August 2024 eine tolle Zeit – rain or shine.
Fotos: (c) Stefanie Kaufhold
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